VIEL UND WENIG

Und eines Tages ging Wenig, so wütend wie noch nie, zu Viel.
Hör mal du! Du weißt … du weißt schon, dass du mir das G kaputt gemacht hast … –
Das G? –
Ja, das G. Und jetzt bin ich wütend. Da hast du es! –
Beruhige dich. Reg dich nicht auf, denk an dein Herzleiden! Setz dich hin und atme tief durch, du bist ja ganz abgehetzt. Außerdem … warum bist du so wütend wie noch nie? -, antwortete Viel mit einem gewissen Überlegenheitsgefühl und blähte dabei sein IE auf, während es sich mit dem Aber beratschlagte.
Weil … weil … letzte Nacht konnte ich nicht schlafen und ich fing an nachzudenken und ich habe entdeckt, dass du nichts anderes bist als ich! … Ich gebe dir das Leben! Ohne mich wärst du weniger als eine zerquetschte Null! –
Hah … hah! Ich … weniger als eine zerquetschte Null!? Da hast du dummes Zeug gedacht! Die Schlaflosigkeit spielt einem schlimme Streiche. Ich rate dir zu einem Doktor zu gehen! Zu einem guten Doktor. –
Das ist nicht wahr! Ich leide nicht unter Schlaflosigkeit. Du würdest ohne mich nicht existieren! Verstanden? Du bist nichts anderes als eine unendliche Anzahl von mir, aneinander gereiht, und du hältst dich für einen König und mich behandelst du wie das Letzte auf der Welt, beschimpfst mich arrogant mit bitteren und harten Worten, ohne eine Spur von Zärtlichkeit! –
Viel brach in ein großes Gelächter aus, und während es sich wieder aufblähte, murmelte es: – Wenig, geh weg, bitte, ich hör‘ dir nicht mal zu! Du hast heute Nacht schlecht geschlafen und keifst Dummheiten. Denn die ganze Welt, das bin ich! Sieh dort! Diese Unendlichkeit von Bäumen … das bin ich! Sieh den Himmel an! Diese Unendlichkeit von Wolken … Das bin ich! Viel! Ich bin Viel, ein König! Ich bin der Schnee! Bin der Regen! Bin der Tau! Bin das Meer! Ich bin der Strand! Ich bin der Reichtum! Ich bin ein Flugzeug! Das heißt ein Flugzeugträger … das heißt eine Unendlichkeit von Flugzeugträgern, randvoll mit Flugzeugen! Wer bist du? Weniger als ein Sandkorn im Meer! Bestenfalls könntest du eine Schraube sein … Ich ernenne dich zur Schraube eines Flugzeugs, bist du nun zufrieden, Schraube? Da hast du es , was du bist! Wenig! Du bist Wenig und wirst immer Wenig sein. Unbedeutend. Ja, wirklich unbedeutend. Eine eingeschraubte Schraube. –
Viel … da ist Aber die Welt … die Welt … ich denke du willst sagen … Wenig hat einige richtige Beobachtungen gemacht … –
Aber, schweig! Misch dich nicht in unsere Angelegenheiten, verstanden? Wenn du dich mit Trotzdem berätst, dann bin ich still und würde kein einziges Wort sagen, auch wenn jemand versuchen würde, es mir mit dem Korkenzieher aus dem Mund zu ziehen! Haben wir uns verstanden? –
Aber duckte sich ganz klein auf die Erde und Wenig wurde zu einer Prise und es rutschte ihm das W herunter und verklemmte sich unter dem G und es wurde traurig und weinte einige Tränen, und weil es nicht wusste, was es antworten sollte, verabschiedete es sich von seinem Freund Aber und ging fort.
Und auf dem Nachhauseweg traf es in einem vergoldeten Buch eine kohlschwarze Ameise, die es tröstete; sie war ein wirklich intelligentes kleines Wesen, das eilig dahintrippelte, während es ein großes Maiskorn vor sich her rollte.
Lass es auf sich beruhen! Viel ist nur ein arroganter Clown! Ein Eingebildeter, der nicht weiß, was er sagt. Er kann keine Zusammenhänge herstellen. Es ist das Wenig, was die Dinge der Welt regelt, hör auf mich. Es ist das Wenig. Du. Du bist ein König. –
Wirklich? Ich ein König? Was sagst du da? Du willst mich trösten, weil ich traurig bin. –
Es ist so wie ich dir sage: Eine Ameise könnte einem Elefanten eine harte Nuss zu knacken geben, weißt du das? Ich meine nur, als Beispiel … –
Hör auf, bring mich nicht zum Lachen! So ein bisschen Ameise … –
Aber ich sage dir, es ist so. So ein bisschen Ameise kann Großes bewirken, es kommt nur darauf an, wo sie sich einmischt! Ein Virus im Körper eines Wals kann diesen vollkommen auffressen! Ein Hefepilz, der weniger ist als wenig, winzig klein, macht dir aus Trauben Wein, Wenig macht aus Wein Essig, aber was sage ich da … eine Messerspitze voll Hefe lässt dir den Brotteig bis zur Decke aufgehen … Es ist das Wenig, was die Erde beherrscht und das Viel zählt nicht … das heißt es zählt schon, aber es zählt Wenig … das heißt, ich will sagen … es zählt, weil es mit Wenig gemacht worden ist. Ich schwöre es dir. Hör auf mich! Du bist Wenig! Es ist nichts anderes als du! Verstehst du? Es würde ohne dich nicht existieren! –
Ja … mehr oder weniger … dies habe ich ihm gesagt. Aber … aber was kann ich tun, damit Viel es versteht? Es bläht sich in seinem IE auf, es wird böse … es bedroht mich … es flucht … es sagt, dass es aus mir noch weniger als Wenig machen wird … –
Umso besser … weniger als Wenig macht das Wenig und das Wenig macht das Viel … Ganz einfach. Ich habe eine Idee: Ich dachte … Mit … Du musst ein Attentat inszenieren! Wer steuert das Schiff, eh? Abgesehen davon, dass das Schiff, so wie du es siehst, eine Unendlichkeit von zusammengesetzten Wenigs ist, und … und hast du dich je gefragt, wer es steuert? Das Wenig! Du steuerst es! Du hast es gebaut! Du bist Viel! Du kannst das Viel zu einem Blechhaufen reduzieren! Ohne jemanden umzubringen, versteht sich! Ein Blechhaufen, verstanden! Das Wenig steuert das Schiff. Das Wenig des Steuerruders. Verstehst du? Alle Dinge, die du siehst, wurden mit Wenig erbaut und mit Wenig gelenkt. Ein langer Zug wird von wenig gelenkt … Tschüss Wenig! Ich gehe. Ich habe gesagt was ich zu sagen hatte. Verteidige dich! Lass mich dann wissen, wie es dir ergangen ist! Wenig, du bist ein König und glaubst ein Bettler zu sein. –
Und die Ameise verabschiedete sich von Wenig und verschwand in einer ihren vielen Höhlen.
Wenig ruhte sich hellwach in seinem vergoldeten Buch aus und dachte nach:
Die Ameise hat Recht! Viel hat mich beleidigt, als es sagte, ich sei eine eingeschraubte Schraube, und … und wenn die eingeschraubte Schraube sich herausschrauben würde? Hier fällt des Pudels Kern herunter! Nein, der Pudel hat keine Schrauben. Das Flugzeug fällt herunter. Da haben wir es! Das Flugzeug fällt herunter! -, sagte es zu sich selbst. – Ich muss Viel und den anderen, die ihm Recht geben, vorführen … wer ich bin! Und diese anderen, die, um Viel zu haben, die Welt einen krummen Weg gehen lassen! Ach, wenn sich alle mit Wenig zufrieden geben würden … Das Leben, das Glück ist im Wenig zu suchen. Dummköpfe! Ich werde es allen zeigen, wer Wenig ist! Wer ich bin! Wohl der Ameise, die mich aus dem Schlaf der Naivität aufgeweckt hat! –
Dann, endlich, schlief es ein. Es schlief lange Zeit und wachte erst am Nachmittag um drei wieder auf. Es machte sich auf die Reise. Es musste sehr lange laufen und vor Müdigkeit rutschte ihm das W herunter und es stolperte über das G.
Es bestieg ein Schiff, das soeben vom Stapel gelaufen war und zum großen Hafen ablegen sollte, um anschließend unter der Flagge der Gesellschaft der Zerquetschten Bananen in See zu stechen.
Das Schiff fuhr hochmütig los und das Wenig rutschte achtern ins Wasser und erzählte dem Wenig des Steuerruders, wie die Dinge gelaufen waren …
Und daraufhin löste sich das Wenig des Steuerruders vom Viel des Schiffes und zog sich auf den Grund des Meeres zurück.
Das Wenig wanderte noch lange weiter und weiter … es schlüpfte in einen Kran, der Lasten hochhob; über den Standfuß der Maschine stieg es in den Arm hoch und erzählte alles, was passiert war, dem Ritzel …
Und so löste sich das Wenig des Ritzels eines Kranarmes vom Viel des Kranes los, und als es auf den großen Platz fiel, rollte es davon, wer weiß wohin …
Endlich zu Hause! Wenig ruhte sich in seinem vergoldeten Buch aus und ließ sich das, was es getan hatte, noch einmal durch den Kopf gehen. Es war um die halbe Welt gezogen, um den Wenigs zu erzählen, wie die Dinge liefen.
Plötzlich hörte es eine erstickte und verzweifelte Stimme, die nach ihm rief: – Wenig. Wenig, wo bist du? Wenig, wenn du da bist wo du bist, komm heraus, ich bitte dich. Ich bin‘s, Viel, dein Freund. Wenig, ich bitte dich: Komm heraus, sonst bin ich wirklich ruiniert. Ich sterbe auf der ganzen Welt … überall. An jedem Ort.
Wenig, das begierig war zu schlafen, glitt zwischen den Seiten des vergoldeten Buches auf die Erde.
Wenig! Wenig, mein Freund! Tu mir nichts Böses mehr an, ich beschwöre dich! Die Schiffe sind ohne das Wenig des Steuerruders zwischen den scharfkantigen Klippen zerschellt! Die Flügel der Flugzeuge sind ohne die Schrauben in die Meere und Flüsse abgestürzt! –
Hast du es bereut? Hast du jetzt verstanden, wie das Rad sich dreht … der Mühlstein? Mit dem Wenig! Jenem Wenig der Zahnräder … Verstanden? –
Ja, ja, ich habe verstanden! In allen Dingen genügt jenes Wenig … Habe verstanden. –
Im Wenig liegt das Geheimnis des Lebens! Das Viel halte sich zurück! … Eine kleine liebevolle Geste, ein Spiel, ein Wenig Verständnis … für das Wenig, nicht für das Viel, und … und die Welt würde nicht in die Brüche gehen! Die Menschen bringen sich für so Wenig um, weil sie alles andere schon haben! Wenn sie den anderen ein Wenig weniger stehlen würden, würden sie in Frieden leben! Für jenes Wenig mehr würden sie in Frieden leben, je nachdem. –
Viel verkrampfte sich im V und zitterte mit dem IE.
Diese bösartige Gier sät Zwietracht! Dieses Wenig geben, dieses Wenig haben! Viel, du kannst das nicht begreifen! Du bist nur zu mir gekommen, weil du besiegt worden bist, und dann, wenn ich dich in Frieden lasse, wirst du mit deinen Irrtümern fortfahren! –
Es wird immer Zwietracht herrschen, zwischen dem Wenig und dem Viel. Es wird immer Zwietracht herrschen, zwischen dem Reichen und dem Armen! Und die Zwietracht ist in dem Wenig, was die Reichen übrig lassen! Wenn wir das Wenig und das Viel analysieren, im sozialen … zum Beispiel. Entschuldige, wenn ich die Grenzen von Wenig und Viel erweitert habe! Ich habe eine fixe Idee hier im N.
Viel, ich bin müde. Komm morgen wieder, und wir überlegen in Ruhe. Jetzt werde ich in mein vergoldetes Buch schlüpfen, um mich auszuruhen.
Wie geht es dem Aber? Es ist so unentschieden, das Arme. Ewig unentschieden. Streichle es an meiner Stelle ein Wenig am A aber vorsichtig, damit das A nicht herunterfällt. Sonst wird daraus ein Ber ohne Ä. Viel, komm morgen wieder! –
Und das Viel ging sehr niedergeschlagen davon, und es dachte nach, mit seinem Kopf, der arg angeschwollen war, von den Vielen Dingen, die ihm darin brannten, und es fast umbrachten: – … das Wenig … im Wenig … also dort war das Geheimnis des Lebens? Und … und wer bin also ich? Wer bin ich? Bin … bin ich wirklich aus dem Wenig geboren? 

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