GROßVATER, ERZÄHLST DU MIR EINE GESCHICHTE?

Großvater. Groooßvater! Großvater! –
Was willst du, Orfeo? –
Erzählst du mir eine Geschichte? –
Jetzt, wo ich im Garten Unkraut jäte! –
Ja! Ich will eine Geschichte! –
Sag zur Großmutter, dass sie dir das Buch gibt: Da stehen ganz viele drin. –
Nein! Ich will dass du sie mir erzählen musst! –
Verflixt! Beim Unkraut jäten habe ich eine Tomatenpflanze herausgerissen. Sie ist zerbrochen. –
Tomaten schmecken gut. –
Ich habe sie mit dem Unkraut verwechselt, sie war zu klein.
Weißt du, was ich dir erzähle? Weißt du, was ich dir erzähle? Die Geschichte, die mir immer die Klosterschwestern erzählt haben! –
Ich dachte, Schwestern könnten keine Geschichten erzählen? –
Manchmal schon, manchmal auch nicht. Es gibt so viele Schwestern, auf all die Klöster verteilt. Warte, sehn wir mal, wie Schwester Monetta Geschichten erzählte: „Es war einmal ein Bauer, der ein Stück Land besaß, und es, nachdem er die Aussaat beendet hatte, sich selbst überließ. Zuerst spross das Unkraut ganz langsam aus den Samen, und dann alles auf einen Schlag, alles auf einen Schlag, und das Unkraut war schon mächtig gewachsen. Große, große Unkräuter! Seid brav Kinder!“, sagte Schwester Monetta, „Hört zu! Diese Geschichte lehrt euch etwas.
Und die Unkräuter wickelten sich um die gute Saat herum. Und sie schlangen sich so fest (Schwester Monetta, die im Kloster lebte, machte so eine Geste, mit ihren langen Fingern) um die Bohnen- und Erbsenpflanzen herum, dass alle vertrockneten. Alle vertrockneten! Es blieb nicht eine Schote übrig. … Braaav Kinder!
Und es kam die Zeit der Ernte und der Bauer begab sich auf sein Land um das Gute zu holen und … und was fand er? Das Hässliche! Bohnen und Erbsen, heruntergekommen zu dürftigem Stroh. Das Unkraut hatte nunmehr die Oberhand. Und der Bauer weinte, er weinte den ganzen Tag und die ganze Nacht lang, und ein Freund, der ihm zu Hilfe eilte, weil er so weinte, machte ihm Vorwürfe: < Du hättest aufpassen und das Unkraut ausreißen sollen, solange es klein war! Und jetzt steck es dir an den Hut! >
Seid brav! Hat euch die Geschichte gefallen Kinder?“
Und nur ein Kind hatte den Mut zu sagen: „Nein, Schwester. Mir hat nur gefallen < … steck es dir an den Hut! > “.
„Schweig! Auch du bist ein böses Unkraut.
Und dir, Streber, hat sie dir gefallen?“
„Mir hat sie sehr gefallen. Papa erzählt mir immer solche Geschichten!“
„Tüchtig, Streber, tüchtig. Halte dich immer vom bösen Unkraut fern.“
„Ja, Schwester, mein Gehirn ist wie ein großer Eimer: Und ich werfe alles Gute hinein! Vater sagt das immer“, nuschelte Streber mit befriedigtem und gutmütigem Gesicht.
„Bitte bleib immer vom bösen Unkraut weg, hörst du, Streber!“
Orfeo, hast du dich amüsiert? –
Nein. –
Das wusste ich. –
Nur das < … steck es dir an den Hut! > –
Aber diese Geschichte ist nicht von mir. Die Schwester erzählte sie uns. Weißt du, dass auch mir nur das < … steck es dir an den Hut! > gefiel? –
Großvater, hast du dir jemals etwas an den Hut gesteckt? –
An viele, an viele! Aber nie an einen wirklichen Hut, leider, an andere Hüte. –
Großvater, sind die Schwestern böse? –
Es gibt gute Schwestern und böse Schwestern und gute Großväter und böse Großväter und gute Tanten und böse Tanten und gute Schokolade und schlechte Schokolade und gute Orangenlimonade und schlechte Orangenlimonade. Von allem, von allem, gibt es einen guten und einen schlechten Teil. So ist die Welt. –
Großvater, ist die Welt rund? –
Ja. Genau wie ein Pfirsich. –
Und Schwester Monetta, wohnt sie im Pfirsichkern? Ist der Pfirsichkern das Kloster? Nicht wahr, Großvater? –
Der Pfirsichkern ist ganz klein und Schwester Monetta war groß und kräftig. –
Großvater, wie weißt du, wann ein Ding böse ist? –
Langsam, langsam, immer mit der Ruhe! Häufig irrt man sich. Die guten Dinge hältst du für böse und die bösen hältst du für gut. –
Und Schwester Monetta war böse? –
Nein, aber ihre Augen sahen überall nur böses Unkraut. –
Und wann zieht man das Unkraut bei den Tomaten heraus? –
Wenn alles ein bisschen gewachsen ist. Man kann das Unkraut von den Pflanzen unterscheiden, die uns zu essen geben. Und häufig findest du zwischen dem Unkraut eine Blume, und du lässt sie stehen um das Land zu verschönern. –
Und warum hast du die Tomatenpflanze ausgerissen, die doch groß gewachsen war? Warum? –
Weil du mir seit heute Morgen in den Ohren liegst, und mein Gehirn ganz durcheinander ist. –
Gefiel dir die Geschichte als die Schwester sie dir erzählte? –
Nein. –
Warum? –
Sie ist platt. Es gibt keine Alternativen. Man macht es so und basta. Böses Unkraut ausreißen. Es gibt keine Nuancen. Es ist eine Geschichte fürs Priesterseminar. –
Was meinst du damit, Großvater? –
Solche Geschichten benutzen gewisse böse oder dumme Menschen, um tun zu können, was ihnen bequem ist. Schwester Monetta war aber nicht böse, sie war eine Gans und schnatterte quack quack quack. Sie wählen absichtlich platte Geschichten. Um die Gehirne der Kinder auf ihre Weise zu erziehen. Die Kinder sind kaum geboren, und … könnten sich schon für böses Unkraut halten. –
Entschuldige Orfeo, ich weiß, dass du wenig verstanden hast, es ist nicht deine Schuld, es ist das Gehirnchen, das nur danach verlangt, zu spielen. Du hast mir geholfen, ein wenig mehr zu begreifen. Wenn du ganz groß bist, werde ich dir alles erklären; iss aber inzwischen tüchtig, ich bitte dich! –
Großvater, aber sind die Kinder böse? –
Aber nein! Kinder sind immer gut. –
Und wieso sagst du dann manchmal dass ich böse bin? –
Großvater macht Spaß! Außerdem, weißt du, was manchmal geschieht? Dass deine Energie so viel ist, dass sie mich verwirrt. Aber du macht es richtig, dich so zu verhalten, weil du neu auf der Welt bist. Der Großvater oder die Mama oder der Papa, sie müssen dich ein wenig schimpfen, weil du dir sonst wehtun könntest. Kinder sind nie böse, merk dir das. –
Waruuum? –
Weil sie Welpen sind. –
Großvater, was ist ein Welpe? Großvater, Großvater! Kaufst du es mir, das Eis ‚Großer Welpe‘? –
Oh Gott! Mir zerspringt der Kopf! Seit heute Morgen hast du schon drei Eis gegessen, davon tut dir nur das Bäuchlein weh! –
Nein! Ich will das Eis! Geh es kaufen! Ich will es! Den ‚großen Welpen‘! –
Orfeo, sei nicht so böse! –
Da hast du es gesagt, dass ich böse bin! Böse hast du gesagt! –
Ich habe es nur wegen des Eises gesagt, dass du böse bist, und … und ich habe einen Fehler gemacht. Orfeo, geh mir nicht auf den Wecker. Ist das recht so?
Hast du gesehen, Orfeo, dass nichts einfacher ist, als euch wie böses Unkraut zu betrachten? Das geht schnell. Es ist bequemer in einen Haufen zu schießen. So und nicht anders. Schweigt! –
Nein! Ich bin nicht auf den Wecker gegangen! –
Orfeo, spiele nicht das böse Unkrauuut! –
Ich bin keine böses Unkraut! –
Also dann spiele nicht die Bohne und die Erbse! –
Bin keine Erbse! –
Oh Gott, oh Gott, was habe ich für Kopfschmerzen bekommen! Ich vergaß, ich muss ja gehen und mir eine Spritze gegen das Kopfweh geben lassen. Willst du mitkommen? –
Nein! Keine Spritze, nein! –
Manchmal muss man sich eine Spritze geben lassen. Sie nimmt die Krankheiten weg. –
Ich habe keine Krankheiten! –
Großmutter, Großmutter, komm und leiste Orfeo Gesellschaft, ich muss zum Doktor gehen und mir eine Spritze geben lassen! –
Ich kommeee! Orfeo, komm, komm, ich gebe dir ein bisschen Salz und Pfeffer. –
Geh, geh zur Großmutter, sie gibt dir Salz und Pfeffer! –
Nein, ich will den ‚Großen Welpen‘! Großvater, tut der Doktor dir weh, wenn er dir die Spritze gibt? –
Manchmal ja, manchmal nein. –
Also dann geh, geh, ich bleibe hier bei Großmutter! Großmutter gibt mir Pfeffer und Salz und dir nicht, dir nicht hu hu hu… Geh und lass dir die Spritze geben! Böses Unkraut! Salz und Pfeffer! Großmutter, nach dem Salz und Pfeffer, kaufst du mir dann den ‚Großen Welpen‘? –
Ja, aber zuerst Salz und Pfeffer. –
Und Orfeo zog plötzlich viele, viele Grimassen und rannte los, um die Großmutter zu umarmen.

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