FLOCKY, MARC‘ANTONIO UND DIE ROTE CEPPI
Gioppino war müde, weil er die ganze Nacht gegrübelt und immer wieder über die vielen Dinge auf der Welt nachgedacht hatte, und dabei nicht einmal ein wenig die Augen geschlossen hatte. Dann, in der letzten Stunde, fast am frühen Morgen, fiel er in seinem Bett in einen tiefen Schlaf. Und er wachte erst wieder auf, als es fast Mittag war, und nur dank seines großen Gockels, der ganz verschwitzt war und sich total verausgabt und sogar die Stimme verloren hatte, um ihn durch sein Krähen aufzuwecken, und am Ende gelang es ihm.
Er las sehr viele Bücher, Gioppino. Er blätterte in ihnen herum, er drehte und wendete sie hin und her, mit seinen kleinen Händen und den mit Spucke benetzten Fingern, die einem Kind zu gehören schienen … außerdem stellten einige Bücher Fragen an den Leser und zögerten aber mit den Antworten.
Und manchmal wankte er deswegen halb betäubt im Garten seines winzigen Häuschens herum, fast so als ob er auf die Erde stürzen wollte. Der Ausgangspunkt von allem ist das Nichts? Deswegen, oder vielmehr … Null dividiert durch Null …
Kosmogonie, Doktrin die …
Warum dreht sich die Erde immer weiter auf einer gekrümmten Bahn …
Warum haben die Fische nie aus den Brunnen getrunken …
Unsere Fliege hat keinen Stachel … dagegen die Mücke …
Die Affen, wie halten sie die Bananen in den Händen …
Warum hat das Schaf keinen Schnabel, wie das Huhn und macht määähmäääh, und nicht wauwau, wie der Hund …
An jenem Morgen glaubte Gioppino, dass ihm der Kopf zerspringe! Und er hatte sich entschlossen, für eine Weile das Lesen sein zu lassen. Zu viel davon konnte ihm schaden, so hatte er sich gedacht, und dann hatte es ihm auch der Doktor gesagt, Prof. Esser Spinnig, der Kardiologe des Dorfes.
Seine drei Katzen hatten gerade die von Werbeeinschüben unterbrochene Tagesschau zu Ende angesehen, und dann hatten sie begonnen zu miauen und ihn zu umschmeicheln, weil sie essen wollten!
Und Menio, der sabbernde Zwerg, der losgegangen war, um ihm sein Land zu bestellen, fluchte, dass ihm die Ameisen alle Spinatsamenkörner geraubt hatten, die er erst kürzlich ausgesät hatte!
Menio, fluche nicht, das ist Sünde! -, sagte ihm schwankend und noch mit halb geschlossenen Augen Gioppino.
Und du, sag deinen Katzen, dass sie die Ameisen fangen sollen! Es sind Myriaden. Sie sollen sich anstrengen. Die Ameisen haben den ganzen Spinatsamen vertilgt.
Und dann war Gioppino gezwungen gewesen, mit dem Fahrrad zum Supermarkt zu fahren, weil ihm die Katzen mit ihrem Miauen keine Ruhe ließen, und er hatte für sie Fertigfutter gekauft.
Schon einmal hatte er mit seinen Katzen gestritten, weil sie, obwohl sie schon satt waren, Schmetterlinge töteten; dann hatte er ihnen verziehen, weil Ceppi, die Rote, ihm nicht mehr von der Seite wich, und ihm überallhin nachlief und sich einschmeichelte, und langsam drängelte sie sich zwischen seine Beine, und streichelte sie mit ihrem weichen Fell, um ihn um Verzeihung zu bitten.
Dies hatte ihn gerührt und … Genug mit dem Starrsinn, er hatte ihnen schlussendlich …
Für diesmal erteile ich euch die Absolution von der Sünde! Ihr Spitzbuben, und dann … wollt ihr nicht mehr die Makkaroni essen. Ihr mögt sie nicht! Drei Jahre sollte ich euch hungern lassen. –
Aber … Aber sie mussten sich gut benehmen! Respekt war angesagt. Und er verlangte, dass sie mit hocherhobenen Pfoten schworen, für immer ehrerbietig gegenüber ihrem Herrn zu sein, die anderen Tiere zu respektieren, die in einer weniger glücklichen Lage waren als sie, und den Tod riskierten, um sich ein wenig Nahrung zu beschaffen.
Um euch Nahrung zu geben, bringe ich viele Opfer, ich nehme das Geld von meiner elenden Bauernrente.
„Man muss sie impfen, Gioppino! Sie leben auf dem Lande und da gibt es Mäuse, die überall hinpinkeln, und sie können sich leicht die Leptospirose zuziehen, deine Katzen! Sie ist sehr gefährlich, die Leptospirose“, sagte mir der Tierarzt. Und sie haben mich ein Vermögen gekostet, die Impfungen! Spitzbuben! –
Und seine drei Katzen schworen gehorsam, mit zu Boden gesenktem Blick und hoch erhobenen Tatzen.
Menio waren sie nicht sympathisch, Gioppino‘s Katzen, weil sie zu sehr im Überfluss lebten, und außerdem, weil sie faulenzten und herummaunzten und sich gegenseitig ableckten, mitten auf der Tenne, nachdem sie vier Stunden ohne Unterbrechung ferngesehen hatten!
Dummköpfe, ihr sollt euch nicht lecken, dann bilden sich Haarballen und es kommen Tumore! –
Heh, was soll das! -, antworteten sie im Chor.
Der Gockel war ihm sympathisch, weil er ihm auf ein Zeichen hin die Weinflasche brachte, und Menio trank sie ganz aus, und wenn er betrunken war, sah der Gockel für ihn wie ein Löwe aus.
Geh mir die Weinflasche holen, so mache ich dich zum Löwen. –
Und der Gockel krähte lachend, während er sich auf den Weg in den Weinkeller machte.
Flocky, rote Ceppi und Marc‘Antonio, kommt frühstücken! –
Und Gioppino öffnete die übliche große Dose mit der üblichen englischen Aufschrift: “To be a picture of health!“, in rot phosphoreszierenden Buchstaben darauf und mit Lachshäppchen darin.
Und die Katzen stürzten sich auf die Schüsseln wie es die Stiere in der Arena machen.
Und die letzten Lachshäppchen schubsten sie spielerisch mit den Pfoten und der Zunge umher, und dann liefen sie fort und kehrten wieder zurück und aßen sie auf.
Und jetzt, wo ihr satt seid, geht ja nicht Schmetterlinge umbringen! Verstanden? Ihr habt es mir mit erhobenen Pfoten geschworen. –
Und dann bat die rote Ceppi Gioppino um ein Leckerli.
Warte, ich bringe euch sechs, zwei pro Kopf. Wo ist Marc‘Antonio hingegangen? Ich sehe ihn nicht! Geh ihn rufen! –
Er will auf den Feigenbaum klettern –, antwortete Flocky. – Jetzt gehe ich. –
Flocky, Flocky, komm, die Leckerli die sie im Feeernsehen zeigen! –
Und die Katzen prügelten sich beinahe, um die Leckerli zu verteilen, die alle zusammen in einer Schüssel lagen.
Seid lieb. Ruhig. Oh ich Ärmster … Ist diese Welt noch richtig oder verkehrt herum? Bah, wer weiß das schon. Es ist so schwierig eine Antwort geben zu können! Und außerdem, ich als Mensch … Impfungen, Leckerli … Nie, niemals. Bah, wer weiß. Und wer hätte sich vorgestellt … bah … dies alles. Eine Katze erhält heute in der westlichen Welt mehr Pflege als ein König vor gar nicht langer Zeit oder … oder ein Kind von heute, in fernen Ländern … wenn wir so wollen. Wer weiß. Meine Katzen mögen keine Makkaroni. Wie viele Könige sind jung gestorben, als Idioten, weil es keine Impfungen gab!
Und arme Irre, die sich anstrengten, mit Kriegen und Betrügen ihre Königreiche zu vergrößern! –
– Aber … lass doch gut sein! Wenn die Leckerli gut sind, dann leben die Mäuse länger -, schrie Menio.
Und Marc‘Antonio: – Kümmere dich um deine Angelegenheiten! –
Meine Angelegenheiten? Wisst ihr warum ich euch nicht ausstehen kann? Und warum ich euch in der Suppe kochen würde? Neulich, wenn ihr euch erinnert, habt ihr miaut wie die Dummbärte, dass ihr Hunger hättet, und ich nahm ein schönes Stück Parmesankäse aus dem Kühlschrank und schnitt es in Stückchen für eure zarten Schlemmermäulchen … und da sind sie heute noch, in der anderen Schüssel! Spitzbuben! –
Es war kein Käse, es war die harte Rinde! –
Es war kein Käse, es war die harte Rinde! –
Es war kein Käse, es war die harte Rinde! -, maunzten die Katzen frech.
Empfindliche Zähnchen. Ja, Rinde. Und im Übrigen ist die Rinde gut. Es ist noch so viel Käse daran, nennt ihr das Rinde? Es war auch Rinde dabei … na gut! An allen Dingen gibt es immer eine Rinde. Zum Beispiel eure Haut, mit so vielen Härchen drauf, die könnte man auch Rinde nennen. Katzenrinde! Die Käserinde ist gut, zum Essen gut, eure nicht! Und wenn ich euch ins heiße Wasser stecken werde, werde ich euch vorher schälen. –
Probiere das und wir kratzen dich, dass du gestreift bist! –
Probiere das und wir kratzen dich, dass du gestreift bist! –
Probiere das und wir kratzen dich, dass du gestreift bist! –
Lass sie sein, Menio. Sie sind ungezogen, siehst du das nicht? Und doch haben sie geschworen! Sie haben … Gioppino Ruhe, lass dir nicht die Galle hochkommen. –
Und Menio wurde so nervös, dass er an jenem Tag das Land nicht mehr bearbeiten wollte, und er bat den Gockel, in den Weinkeller hinunter zu gehen, und ihm eine Korbflasche zu holen.
Geh, damit ich einen Löwen aus dir machen kann! –
Und als er die Korbflasche bekommen hatte, ging er, um sich in den Schatten unter einen Zitronenbaum zu legen, und er trank und trank die ganze Korbflasche leer, bis zum letzten Tropfen, und seine vom Wein wässrig gewordenen Augen verwandelten den Hahn, der begonnen hatte, auf der Mauer herum zu flattern, in einen Löwen!
Löwe, brülle nicht und … und iss mich nicht auf. – Und … Menio schlief ein und schnarchte wie eine kaputte Trompete. Langsam, langsam brach die Nacht herein und Gioppino sah ihn nicht mehr und suchte ihn besorgt auf dem Land.
Hast du Menio gesehen? -, fragte er den Hahn.
Ja. Er hat mich zum Löwen gemacht und dann ist er eingeschlafen, dort unter dem Zitronenbaum. –
Naiver Dummkopf! Du bist ein Hahn. –
Aber manchmal werde ich für lange Zeit ein Löwe und dann erschrickt Menio. –
Er tut so als ob. – Und Gioppino entdeckte Menio, der zur Kugel eingerollt schnarchte und sich mit den Händen auf den Wangen vor den Ameisen schütze.
Menio, los steh auf, ich bringe dich ins Bett, du kannst hier nicht die Nacht verbringen. –
Und er hob ihn langsam und vorsichtig hoch, und indem er sich eines der winzigen Ärmchen auf seine Schulter lud, führte er ihn ins Haus und legte ihn aufs Bett, so wie er war, angezogen.
Und mitten in der Nacht heulten Flocky, Marc‘Antonio und die rote Ceppi wie die Verdammten, und danach hörte man den Lärm zersplitternder Flaschen und das Gekreische verängstigter Tiere.
Was ist, was ist? -, brummelte Menio, als er im Schlaf hochschreckte.
Schlaf! Die Katzen! Morgen früh werden wir wissen, was passiert ist. Diese Spitzbuben! –
Die beiden Freunde wachten spät auf: Es war elf Uhr vormittags.
Und kaum dass Gioppino die Tür öffnete, um hinaus zu gehen, fand er die drei Katzen, die miauten und geziert um Nahrung baten.
Gibst du uns die Lachshäppchen zu essen …? Öffnest du sie, die Dose? -, sagte die rote Ceppi.
Wir haben Hunger. –
Welch ein Hunger. Dose! –
Ah, tüchtig, habt ihr euch abgesprochen? Wartet, ich muss zuerst nachsehen, was ihr heute Nacht herumgewerkelt habt! – Und Gioppino ging dorthin, wo die Flaschen auf den Regalen standen. Und auf der Erde, unter dem Regal …
Oh du Elend! Verbrecher, was habt ihr angestellt! Vier kleine Wildkaninchen, ohne Grund umgebracht. –
Die Katzen starrten sich gegenseitig verängstigt an und dann …
Ja, aber … aber wir sind Katzen und Beutegreifer. Es sind Kaninchen, keine Schmetterlinge. Es ist unsere Natur, wir müssen Jäger sein! -, riefen sie im Chor, davon überzeugt, im Recht zu sein.
Jaaa! Ihr seid Beutegreifer, und niemand will euch das nehmen! Aber esst sie auch auf! Esst sie auf! Es ist nicht richtig, dass ich sie begraben muss, jetzt ist es eine Sünde … und ihr fragt mich nach der Dose mit den Laaachshäppchen? O Gott, auch die Katzen! Die Erde sinkt tiefer und tiefer und wird untergehen, die Erde wird uns nicht mehr ernähren können. Versteeeht ihr? Und die Makkaroni die muss ich fortwerfen, weil ihr sie nicht esst, und auch das Brot? Ich muss wegwerfen was eure Mägen irritiert und jetzt muss ich die Kaninchen begraben, und außerdem, die Lachse, fangen wir die etwa, um sie euch zu geben? Und die Kinder in den fernen Ländeeern!? Heh?
Es ist richtig … ihr seid Katzen … Aber esst sie auf, die Kaninchen!
Genuuug! Ich werde euch Brot und Wasser und ein paar Knochen geben solange ihr lebt … Und … und ich werde gutmütig sein, ich werde euch auch Makkaroni geben! Ihr Spitzbuben! –
Und unten, unten im Tal glänzte das Meer, weil die Sonne zu sehr schien, und mitten auf der Tenne war ein Hahn, der auf seinen kräftigen Beinen herumhüpfte und sich für einen Löwen hielt!
Gioppino, pass auf deinen Hahn auf, gestern habe ich einen Löwen aus ihm gemacht! -, nuschelte Menio vom Balkon herunter.
Was für ein Idiot! Auch heute hält sich der Hahn für einen Löwen … Er schaut die Zeichentrickfilme im Fernsehen an, und außerdem ist da auch noch Menio, der ein großer Filou ist.