DIE FLIEGE MIT DEN LANGEN HAAREN

Kindergeschrei, lauter als das Zirpen von tausend Zikaden und das Grunzen von fünfzehn Schweinen, die alle zusammen in einen Schweinestall eingesperrt sind! Und der aromatische Dampf von Essen, Nudeln mit Linsen, segelte in Form von dünnen Wolken durch die Luft und blieb an dem großen Spiegel in der Küche hängen.
Luigi sei brav! Mach keine Zirkuskunststücke mit diesem Glas! Trink! Du drehst und wendest es, du hebst es hoch und nimmst es zwischen deine Händchen … Brav! Sei brav zu Papa! Papa ist müde … Mama ist müde … Und dem Ei fehlt das Huhn das es wärmt. Ah ah ah, mein Hübscher sei ruhig … Schmeckt dir das Ei? –
Nein, Papa! Aber dein Auto, ist es weiblich? –
Nein Luigi. Mein Auto ist ein Auto. –
Nein! Dein Auto ist weiblich! –
Ja, sei brav. Mein Auto ist weiblich. –
Und heiratet es, dein Auto? –
Ja, es heiratet. –
Das Dreirad von Onkel Guido? –
Ja. –
Warum ist das Dreirad von Onkel Guido männlich? Hat es ein Zipfelchen, das Dreirad von Onkel Guido? Und wo hat es sein Zipfelchen, das Dreirad von Onkel Guido? –
Zwischen den Rädern. Genug! Schluss, aus, es reicht! Du hast es geschafft, dass mir der Kopf schwirrt. Lass das Glas sein! Stell es hier hin! Still! Still, oder ich ziehe dich an den Haaren!
Daria, schrei nicht so und ziehe nicht die Katze am Schwanz!
Lass sie in Frieden, sonst wird sie nervös und kratzt dich. –
Daria du tust mir weh! Schau her, ich kratze dich, dass du einen Monat lang hässlich aussiehst! –, erwiderte die Katze Betty, die auf einem Auge nicht gut sah, weil Orfeo sie am Morgen in einen Eimer mit Chloroform gesteckt hatte, indem er sie am Schwanz fest hielt.
Diana! Raus hier! Raus! Du bekommst das heiße Öl aus der Fritteuse ab! Dann kommst du ins Krankenhaus und dir geht die ganze Haut ab. Ihr bringt mich um. Ihr bringt eure Mama um. Ich kann nicht mehr, ich sterbe. –
Und Brunella schaltete den Herd mit dem Omelett darauf aus und setzte sich in den Sessel, fix und fertig, wie eine Kranke.
Ich bringe überhaupt nichts mehr fertig! Seit heute Morgen macht ihr es so. Es geht mir schlecht! Ich lasse alles stehen und gehe fort. Auch noch die Katzen! Die Katzen haben mir gerade noch gefehlt! Vier Kinder und drei Katzen! Die Katzen müssen im Garten bleiben! –
Ich will die Katzen auch nicht hier haben! Ich will sie hier nicht! –, stieß ungestüm der Papa aus. – Orfeo, was hast du in den Mund gesteckt? Das ekelhafte Zeug, das du an den Schuhen hattest? Spuck‘s aus! Spuck‘s aus! Dummkopf, spuck! Du bist ein Dummkopf! So etwas isst man nicht! Hast du Hunger? Und wenn du die Nudeln mit Linsen nicht isst, ich schwöre, dass ich dir den Kopf … in den Eimer stecke. Wie du es mit der Katze gemacht hast. –
Daria ging den Nussknacker holen und dann spürte sie die Katze auf, die sich unter einer alten Nähmaschine zusammengerollt hatte und zwickte sie zwischen die Beine.
Die Katze sprach nicht. Sie miaute nur.
Miaue wenig, oder hier geht es schlimm aus! Ich mag nicht mehr draußen herumstreunen. Sei still und flüchte unters Sofa! –, befahl Kater Romeo der Katze Betty, denn er hatte das Kommando.
Verstecken wir uns gut hier irgendwo! Es ist schön warm hier; im Garten ist eine Eiseskälte, dass die Steine zerspringen! –, murmelte der rote Flocky.
Lauf weg, lauf weg! Betty lauf davon! Orfeo kommt, vielleicht wirft er dich wieder ins Chloroform! – schrie Romeo.
Los, geben wir Pfotengeld! Unters Sofa! -, schrie wieder der rote Flocky.
Papa, ist es wahr, dass ich heirate, wenn ich groß bin, und Kinder bekomme … bekomme … und dann, und dann rauche ich Zigaretten und trinke Kaffee und sogar Wein? –
Ja, Luigi, und heirate bloß schnell, denn ich halte es nicht mehr aus, und trinke Wein und rauche und das Dreirad von Onkel Guido ist männlich und mein Auto ist weiblich und mache das Glas nicht kaputt, sonst beiße ich dich in den Arm! –
Die Energie der vier Kinder elektrisierte die Luft, die nach Essen roch. Diana zog mit ihren elastischen Händchen einen massiven Holzstuhl durch die Wohnung und schob ihn zu der großen Kaminöffnung hin, sie stieg hinauf, und während sie die Kekse auf der Kaminkonsole ergriff, rutschte sie aus und…
Fang sie auf! Fang sie auf! Sie fällt ins Feuer! –
Diana wurde an einem ihrer Ärmchen vom Papa aufgefangen. Der Papa schloss bewegungslos für einen Augenblick die Augen, um nicht vor Angst ohnmächtig zu werden.
Oh Gott! Du wärst ganz verbrannt! Verkohlt, wärst du! –
Diana wurde blass und nach einer Weile begann sie: – Wäre ich ganz verbrannt, wie die Frikadellen? –
Ja, wie die Frikadellen! Und wenn du jetzt die Frikadellen nicht isst, bekommst du jede Menge Hiebe, so viele Hiebe…nur Gott weiß wie viele, – warnte Brunella mit angespanntem und müdem Gesicht.
Das Feuer im Kamin verursachte Explosionen wie ein kleiner Vulkan und glühende Funken wurden in die Wohnung geschleudert, weil Kastanienklötze angezündet worden waren, und Tausendfüßler, Würmer und Ameisen beim Versuch zu fliehen in die glühende Asche fielen.
Dieser Halunke hat mir Kastanienholz für Eichenholz gegeben! Sobald du den Rücken kehrst, puff, und sie legen dich herein! –, brummte der Papa.
Die Kinder, außer Orfeo, rannten zum Kamin, um die Kohlenstückchen zu sehen, die in der Wohnung herumhüpften.
Papa, warum hüpft das Feuer? –, nuschelte Daria.
Weil dieser Halunke mir Kastanienholz verkauft hat und kein Eichenholz. –
Wieso Halunke? Was ist eine Eiche? –
Willst du wissen wieso er ein Halunke oder was eine Eiche ist? –
Was eine Eiche ist! –
Das ist ein großer Baum mit ganz vielen ganz kleinen Blättern, und er macht ganz viele Eicheln, die von den Schweinen aufgegessen werden. –
Und warum essen die Schweine sie? –
Damit sie uns ganz viel Schinken geben. –
Ist der Schinken gut? –
Er ist gut und jetzt kann ich dich nicht mehr hören; verschwinde von hier, sonst verbrennst du dir ein Ohr. Siehst du nicht wie das Feuer herumspritzt? –
Papa, weißt du, dass in meiner Schule Brigida und Vincenzo geheiratet haben, weil sie sich auf den Mund geküsst haben, und dass die Schwester Vincenzo geschlagen hat, und Vincenzo tot ist? –
Daria, hast du Papa lieb? –
Ja! –
Also dann sei brav, sonst wird Papa tot, wie Vincenzo! –
Papa! Papa! Das ekelhafte Zeug von den Schuhen ist nicht gut und ich habe es gegessen. Sterbe ich jetzt? –, nuschelte und gestikulierte Orfeo mit der Angst im Leib.
Ah, du hast das ekelhafte Zeug von den Schuhen gegessen? Und jetzt stirbst du. –
Sterbe ich Papa? Sterbe ich und bringt man mich ins Krankenhaus? –
Ja, und dort lassen sie dich ganz alleine im Bett, ohne Mama und ohne Papa. –
Und was machen sie mit mir, wenn ich gestorben bin? –
Sie geben dir eine Spritze! Eine ganz, ganz lange Spritze. Wie ein halber Prügel. –
Orfeo weinte verzweifelt, als er sich vorstellte die Spritze wäre so lang wie ein Besenstiel.
Wie der Besen? So lang? –
Ja, wie der Besen. Der Besen hat einen Stiel, so lang, und das hast du dir selbst zuzuschreiben. Willst du ins Krankenhaus gehen? Dort ist auch Schwester Vincenzina! Und sie gibt dir die Spritze. –
Nein! –
Also, wenn du alles ganz aufisst, vielleicht wirst du wieder gesund, trotz des ekelhaften Zeugs, das du gegessen hast. Wirst du den Brei ganz aufessen? –
Wie? Vielleicht…? –
Und dann sagte Orfeo ja.
Und dann füllte Luigi das Glas mit Brotresten und Papierservietten und mit den elektrisierten Händchen knetete er alles durch und dann noch ein wenig Spucke und mit den Händchen…
Das Glas fiel zur Erde!
Es zerbrach in tausend Scherben.
Überall Glas auf der Erde!
Und Luigi bekam solche Angst und weinte, dass die Katze Betty wie ein Eichhörnchen unter seinen Stuhl hüpfte und murmelte: – Sag dass es die Fliege mit den langen Haaren gewesen ist! Sag dass es die Fliege mit den langen Haaren gewesen ist, die das Glas auf den Boden geworfen hat! Dummkopf, beeile dich! –
Wer war das, wer hat das Glas auf die Erde geworfen? –, rief Brunella nervös.
Wer war es? –, rief der Papa.
Es war die Kat… –
Nein! Die Fliege, die Fliege mit den langen Haaren! Dummkopf! -, wiederholte die Katze.
– Es war die Fliege mit den langen Haaren. Die Fliege mit den langen Haaren –, wiederholte Luigi.
Ah, es war die Fliege mit den langen Haaren? -, sagte der Papa.
Schlag ihn nicht! Ja, die Fliege mit den langen Haaren –, sagte die Mama.
Na gut. Wenn es die Fliege mit den langen Haaren gewesen ist … Wir müssen sie fangen, die Fliege mit den langen Haaren! Luigi ist unschuldig. –
Ja! Die Fliege mit den langen Haaren. Mit den langen Haaren! Sie ist herumgeflogen und hat alles auf die Erde geworfen -, stotterten die Kinder, fast sicher, dass sie damit aus dem Schneider waren.
Ja, es ist die Fliege mit den langen Haaren gewesen. Es ist die Fliege mit den langen Haaren gewesen. Wenn ich sie kriege, schlage ich sie tot! Wenn ich sie kriege, schlage ich sie tot! Also sei brav Luigi, weinst du? Sei brav! Es war die Fliege mit den langen Haaren, die das Glas kaputt gemacht hat. Du hast nichts gemacht, Luigi. Luigi ist brav, nicht wahr? Kopf hoch! Heule Papa nicht voll! –
Also, dann schlag sie tot, schlag sie tot! –, schrie Luigi, der sich fast beruhigt hatte und sein zartes Gesicht vorzeigte, über das drei lange Tränen liefen, die in großen Tropfen endeten, und ihm fast auf das Frotteehemdchen fielen. – Die Fliege mit den langen Haaren! Die Fliege mit den langen Haaren! –
Die Mama schickte sich an, das Glas vom Boden zu beseitigen und die Kinder lachten und lachten und amüsierten sich damit, immer wieder zu sagen, dass es die Fliege mit den langen Haaren gewesen sei, die dieses Durcheinander angerichtet habe.
Fang sie, fang sie! Sie hat sich dort hinten versteckt, dort hinten, die Fliege mit den langen Haaren! –
Wo, wo? Ich sehe sie nicht, ich sehe sie nicht! –, schrie der Papa und lachte laut.
Es reicht, es reicht! Sie ist fortgeflogen, die Fliege, sie ist fortgeflogen, die Fliege, – wiederholte die Mama, – Achtung! Werft mir nicht die Teller zu Boden! Setzt euch alle! Esst die Nudeln mit Linsen alle auf! Sie sind sehr gut. Hier sind sie: Für dich. Für dich. Für dich. –
Mama, es ist heiß! –
Puste. –
Ich kann nicht pusten. –
Lass dir von der Fliege mit den langen Haaren helfen! –
Sie ist fortgeflogen! Ganz weit fort. –
Papa –, fing Luigi wieder an, – ist das Grün männlich? –
Ja, das Grün ist männlich. –
Und ist das Rot männlich? –
Nein, das Rot ist weiblich. –
Und die Farbe Hellblau? –
Männlich. –
Papa, heiratet das Grün das Rot? Bekommen sie Kinder? –
Ja. Sie bekommen welche, ganz viele. –
Und wie heißen sie? –
Die Grünroten! –
Die Grünroten? Und dein Auto? –
Ist weiblich. –
Und wo schläft dein Auto? –
Beim Ehemann. –
Papa ich will trinken. Dieses Wasser dort. –
Aus der Flasche? –
Ja. Papa, ist die Flasche weiblich? –
Oh Gott, noch immer? Ja, die Flasche ist weiblich und die große Flasche ist männlich. –
Aber heiraten sie auch? –
Ja, sie heiraten, die Flasche und die große Flasche, und sie bekommen zusammen kleine Fläschchen. –
Die kleinen Fläschchen sind die Kinder? –

Und außerdem… und außerdem… Die Fliege mit den langen Haaren war davongeflogen… und das Rot ist männlich und das Grün ist weiblich…
Und warum ist das Dreirad von Onkel Guido männlich? …
Schläft das Auto auf einem Kissen? …
Die Grünroten ziehen in den Krieg …
Wie macht das Schwein die Schweinsbratwürste..?

Die Kinder schliefen ein, auf dem Boden, auf dem Sofa, mit dem Kopf auf dem Tisch…
Los -, sagte Brunella, – bringen wir sie nach oben ins Bett. Ich bin
todmüde. Wer hat mich umgebracht? –
Die Kinder! Gott, wie schwer Luigi ist! In welchem Bett soll ich ihn abladen? –
Auf dem dort mit der Bettdecke mit Mohnblumenmuster. –
Wie schön: Der Tag ist zu Ende! Ruhen wir uns eine Stunde aus, die Nacht beginnt wieder! Luigi, ich bitte dich, wach diese Nacht nicht auf! –
Vielleicht legst du in einer Stunde die Kissen, Schlümpfe und Teddybären alle um ihn herum aufs Bett, sonst müssen wir ins Krankenhaus rasen, wenn sie herunterfallen. Vier Kinder! Denk nur: Wir müssten sie alle ins Auto setzen! Erinnerst du dich an diesen schlimmen Tag, voriges Jahr? –
Ja! Ich möchte ein Baum mit einer Kapuze aus Schnee sein, ganz allein in einem weißen Wald, umgeben von ganz vielen schweigenden Bergen.

Se questo favola ti è piaciuto,condividerlo.

Articoli simili