DER BÄR ALS REGISSEUR
– Los, los, Henne! Spiel deine Rolle! –, rief der Regisseur Bär, während er ein seltsames, perlendes Getränk schlürfte, das in seinem Glas prickelte.
Die Henne hopste auf die Bühne, schlug das Regiebuch auf und erhob die Stimme: – Eine Füchsin wurde berühmt, weil sie Bücher schrieb, über die Dinge des Lebens! Versteht ihr? –
Über die Dinge des Lebens der anderen! –, unterbrach sie frech der Auerhahn, der den Schnabel zwischen die Federn seiner Freundin, der Henne gesteckt hatte, während er im gleichen Regiebuch las.
Sie meditierte, sie las und las … sie hielt sich für unsterblich! -, quiekste der Steinmarder, nachdem ihm der Regisseur Bär mit der Pfote ein Zeichen gegeben hatte.
Und die Schildkröte und der Schwan und die Eule und der Hund und die Katze und das Murmeltier und der Esel und das Schwein und die anderen … sprangen auf die Bühne, ein jeder, um seine Rolle zu spielen.
Sein oder scheinen! Das ist überhaupt nicht schwer zu verstehen! –, iahte der Esel.
Und wer die Kunst nicht besitzt, will glauben machen, dass er es tut … Er will so erscheinen! Das ist nicht schwer zu begreifen! Und man erhält alles eher mit dem Schein als mit dem Sein … manchmal! Oft! Immer! Es gibt die Kunst des Scheins, wie die Kunst der Lüge und die Kunst der Diplomatie und die Kunst der Einschmeichelung … das sind die Künste um würdig zu überleben … et cetera, et cetera –, miaute die Katze.
Und die falschen Bewunderer? Sie war umgeben von falschen Bewunderern! –, grunzte das Schwein und fuchtelte mit den Pfoten herum.
Egal! Sein oder scheinen … um scheinen zu können, paaren sich die Schmeichler! –, zischte der Schwan.
Sie meditierte, sie las und las … sie analysierte die Gedanken der anderen! Das war ihre wahre Kunst … –, quiekste der Steinmarder.
Außerdem suchte sie die Liebe! –, schnurrte die Katze.
Die falschen Bewunderer lieben nicht und können nicht geliebt werden … aber sie sind sehr nützlich für den, der vom Schein leben will! –, der Schwan.
Die Jahre vergingen und die Füchsin wurde alt und immer noch suchte sie die Liebe … aber … –, der Esel.
… aber die falschen Bewunderer können nicht lieben! –, der Schwan.
Sie meditierte, las und las … analysierte die Gedanken der anderen … schrieb … begriff … notierte sich Zitate … machte Bemerkungen. –, der Steinmarder.
Sie begriff? – miaute die Katze.
Sie verbrachte das ganze Leben unter falschen Bewunderern! –, der Schwan.
Sie suchte die Liebe! –, die Katze.
Aber die falschen Bewunderer können nicht lieben! –, der Schwan.
Sie wurde nie geliebt und sie liebte nie. Konnte sie nie einen falschen Bewunderer lieben? –, bellte der Hund.
Sie hielt sich für unsterblich und konnte nur von falschen Bewunderern bewundert werden! Versteht ihr? –, maunzte die Katze.
Aber sie wurde nie geliebt! –, der Schwan.
Was sie suchte, das fand sie nicht, und was sie wirklich hätte begreifen sollen, das begriff sie nicht, aber sie sagte, sie würde die Dinge der anderen begreifen, und sie meditierte, sie las und las … sie analysierte die Gedanken und Taten … das war ihre Kunst! –, der Steinmarder.
Es ist wirklich komisch, das Leben in unseren Wäldern. –, der Schwan.
Der Regisseur Bär unterbrach den Schwan schimpfend und dann schmetterte er den erschreckten Schauspielern einen Schrei entgegen, dass diese sich hinter den Kulissen in Sicherheit brachten. – Das ist ein klebriger Brei, dieser Text! Wirklich ein Brei! Alles wiederholt sich! Keine Schlussfolgerungen! Es gibt keine Handlung! Das Thema könnte interessant sein, aber es gibt keine Handlung. Die Tatsachen, die Tatsachen! Sie fehlen! Wer hat das geschrieben? Ich will die Wahrheit wissen! Wer hat das geschrieben? –
Niemand antwortete. Das Schwein grunzte lachend und der Auerhahn krähte ironisch, während er den Schwan mit dem Fuß liebkoste.
Gut, gut. Für den Augenblick unterbreche ich alles. Alle Tiere nach Hause! Nein, nein, nein, mit diesem Text arbeite ich nicht! Nein. Ich fühle mich schlecht. Ich bin müde. Ich fühle mich entmutigt … Ihr werdet von mir hören. Dieser Text, der ein wahrer Brei ist, hat meinen Appetit angeregt! Wirklich! Vor Ärger habe ich Hunger bekommen! Ich werde mir den Bauch voll schlagen, mit gebratenen Sardellen und mit Weißwein von der Schwertküste! Es bleibt mir nichts anderes zu tun! Ein Leinsamenbrei! Und fünfzig tierische Persönlichkeiten, die mir Dummheiten zwischen die Pfoten spucken, ekelhaft! Das Theater ist am Ende. Es existiert nicht mehr! Es existiert nicht mehr! Reißt sie nieder, die Theater! Reißt sie nieder!
Die Kunst … Puah! Ekelhaft! Die Kunst ist tot! Wo sind die begabten Autoren hingegangen? Es gibt sie! Aber … aber niemand will sie haben! Die Mittelmäßigkeit hat Oberwasser bekommen, in dieser Welt der Schwachsinnigen! Konsumdenken! – Und er begann zu weinen.
Ich sagte, geht alle nach Hause, Tiere! Versteht ihr nicht? Aber … aber ich möchte wenigstens wissen … kennen lernen … wer diesen Text geschrieben hat. Hier ist ein Name … einer Eselin! Wer ist diese Eselin? Ich bin nicht schuld … Sie sagen mir: ‚Arbeite und schweige!‘ So dreht sich das Rad. Ich halte es nicht mehr aus, das zu erdulden … vielleicht. Auf diesem Regiebuch steht ein Name einer … –
Eselin! Ja, wirklich, einer Eselin! Herr Regisseur Bär –, krähte der Auerhahn.
Die Eselinnen! Also dann ist das Theater wirklich am Ende! Es gab noch einige Hoffnungsschimmer. Wer ist das, wo ist diese Eselin? –
Die Lebensgefährtin des Produzenten! –, quiekte der Steinmarder.
Sie lebt mit dem Produzenten zusammen … vielleicht in Cinecittà! -, krähte der Auerhahn lauthals.
… vielleicht in Cinecittà? Ah, die Eselin … in Cinecittà … diese hübsche Eselin mit der Schleife ist die Lebensgefährtin des Produzenten? Hübsch … mit der Schleife … Donnerwetter, sie hat wirklich schöne Beine. Wunderschöne Beine von schwarzen Spitzenstrümpfen liebkost … Hufe mit gelbrotem Nagellack bemalt … Und … und also … – sprach er zu sich selbst, – was tun …Vorsicht, hier mit der Eselin kann ich mir wirklich einen Bärendienst erweisen! Ich denke, dass … Bleibt hier, in Kürze nehmen wir die Arbeit wieder auf … weil … weil … hier handelt es sich um Eselinnen …Verstehe … vielleicht wird dieser Text … Er ist wirklich interessant! Los, los! In Kürze, das ist jetzt schon vorbei. Alle auf die Bühne, Tiere! Wir beginnen von vorne. Fang wieder an zu lesen, Henne! Bauch rein, Brust raus! Schnabel in waagerechte Position! Ich bitte euch! Vielleicht ist für mich … für euch dieser Text sehr interessant. Das Theater wird überleben, dessen bin ich sicher! Mehr als sicher! Es wird überleben … denn entweder gibt es die Kunst oder es werden die … Es ist eine wirklich hübsche und intelligente Eselin, diese da! Die Eselinnen werden immer ihre Rolle spielen, in der Welt der Kultur, da bin ich sicher. Mehr als sicher. Los Henne, fang wieder an zu lesen!